Das Gasthaus "Zum Löwen" unter Leitung von Erika Becker, geb. Hofferberth, feierte im Jahre 1995 sein 125jähriges Bestehen. Ausgelöst wurde dies durch die IHK Darmstadt, die im gleichen Jahr ebenfalls ihr 125jähriges feierte und daher alle damals eingetragenen und noch existierende Firmen mit einer Urkunde ehrte. Bei einer kleinen Feier im Gasthaus aus diesem Anlass übergab Landrat Schnur dann überraschend aus den Beständen des Archivs ein Gesuch des Wirts Friedrich Hofferberth. Daraus geht hervor, dass dieser seine bisherige Strausswirtschaft mit Bierschild in eine Schildwirtschaft mit dem Namen "Zum Löwen" umwandeln möchte. Die genehmigende Urkunde ist vom 11. 9. 1847 und vom "Großherzoglich Hessischen Fürstlich Löwenstein und Gräflich Erbach Schönbergischen Landrat" des Bezirks Breuberg erstellt. Voraussetzung war unter anderem auch: "Derselbe hat eine Freistube mit Gastbett versehen und Stallung für Pferd einzustellen." Man hätte also bereits 2 Jahre später das 150jährige Jubiläum feiern können.


Die Gaststätte wurde schon seit eh und je als kleine Dorfkneipe im Zuerwerb zur Landwirtschaft geführt, wobei auch schon mal größere Feste, wie Sängerfest oder Mümlingtalfest, ausgerichtet wurden.


Die Hofferberths gehören zum "Odenwälder Uradel". Bereits im Jahre 1426 wurden sie erstmals in Mümling-Grumbach erwähnt. Der Name leitet sich von Hof und Aribert oder auch Erbhart (abgekürzt Erbert) ab und bedeutet den "zum Herrenhof gehörigen (Hörigen)". Ursprünglich stammten sie aus Holland (Hoverbert), siedelten dann später auch in Hessen sowie in Sachsen. Es besteht die Vermutung, dass dieses Haus das Stammhaus der hessischen Hofferberths ist.


Ursprünglich stand der Hof auf dem Gelände des heutigen Bahnüberganges in Mümling-Grumbach. So ist es aus alten Karten zu erkennen. Beim Bau der Odenwaldbahn 1864/65-1870 wurde der Hof abgerissen und 1865 unter Verwendung der alten Eichenbalken als Fachwerkgebäude am heutigen Standort neu aufgebaut. Die fränkische Hofreite steht heute unter Denkmalschutz. Umbauten standen nur 1928 (Überbauung der Hofeinfahrt), 1948 (neuer Zugang zur Gastwirtschaft) und 1961 (neuer Stall) an. Mit der Überbauung der Hofeinfahrt standen im neuen Haus erstmals auch Fremdenzimmer zur Verfügung. Die Gaststätte selbst wurde zweimal durch die Einbeziehung von Nebenräumen erweitert.


Die vom Landrat üergebene Urkunde beweist, dass auch in früheren Jahren im abgerissenen Hof bereits eine Gaststätte betrieben wurde. Jedenfalls war sie anscheinend die älteste Wirtschaft und es wird heute noch in Mumling-Grumbach von "'s Wirts" gesprochen und die letzte Besitzerin ist nach wie vor die "Wirts Erika" Ihr Großvater, Johann Georg Hofferberth VII., wurde ab dem 1. Januar 1870 bei der IHK Darmstadt als Gastwirt geführt. Er verstarb 1914 und die Witwe Katharina führte die Land- und Gastwirtschaft weiter. Die "Wirt`sen", Anna Katharina, geb. Zior, geb. 1868, + 1958, war die zweite Frau vom alten "Wirt`s", Johann Georg Hofferberth VII, geb. 1838, + 1914. D. h. die Wirt`s Oma war dreißig Jahre jünger als ihr Mann und 44 Jahre Witwe! Lange Jahre führte sie alleine mit ihren drei Kindern die Landwirtschaft mit Gaststätte. Als sie alt war und ihr Sohn Georg mit Ehefrau Luise das Haus führte, half sie immer noch im "Innendienst" mit. Sauber machen und kochen war ihre Sache. Dazu hatte sie morgens den Kittelschürz an und die Haare unterm Kopftuch. Nach dem Essen und Spülen zog sie sich im ersten Stock in ihr Altenteil zurück.

Die Gastwirtschaft war von Anfang an in den Kreislauf mit der Landwirtschaft eingeschlossen. Viele der landwirtschaftlichen Erzeugnisse wurden verwertet und als Getränke und Speisen angeboten. So gab es die Hausschlachtung mit Schlachtfest. Hierbei kredenzte man als erstes die gut ´Worschtsupp´ mit Nudeln, dann Wellfleisch, Blut- und Leberwürstchen, Schweinepfeffer dazu selbst eingelegtes 'Häbcheskraut' mit Kartoffelbrei. Hausmacher Wurst (Blut- und Leberwurst, Schwartemagen) war für belegte Brote zu haben und auch die Wirt´s Erika verstand sich noch im Räuchern des hausgemachten Schinkens. Ihre Spezialität waren auch der selbst hergestellte Handkäs´ sowie der prima Kochkäs´. In früheren Jahren wurde selbst Brot gebacken. Ein heute noch funktionsfähiger Backofen in der Hofeinfahrt zeugt davon.


Zu Anfang gab es auf den heutigen Hauswiesen im "Forsteler Graben" eine Hopfenanbau und der Fußboden in Nebenräumen bezeugen noch heute die ehemalige Hausbrauerei. Später dann (etwa in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) wurde "Schmucker Bier" aus Ober-Mossau angeboten.


Natürlich spielte auch der Odenwälder Apfelwein eine große Rolle. Lange Jahre war die eigene Kelterei in Betrieb und große Keller stehen zusammen mit Stück- und Halbstückfässern zur Lagerung bereit. Dazu gehören natürlich auch die heute noch ca.140 Apfel-Hochstämme auf den Hauswiesen. Wenn gekeltert wurde, kamen viele Grumbacher mit ihrer eigenen Apfelernte im Handwägelchen, um diese für den eigenen Wein auspressen zu lassen. Die alte Presse sowie die Apfelmühle stehen noch heute da.


Wurde früher hauptsächlich Getreideanbau und Milchwirtschaft betrieben beschränkt sich heute die Landwirtschaft als Zuerwerbsbetrieb auf die Bewirtschaftung des eigenen Waldes und auf die Pflege und Bewirtschaftung der Streuobstwiesen, denn gerade die Odenwälder Hochstammapfelbäume liefern die begehrten alten Apfelsorten für den "Eppelwoi". Eine alte Jauchepumpe, die mit Hilfe von 400m Steckrohren den "Puhl" direkt aus der Grube durch die Scheune zu den Hauswiesen pumpte steht noch im Hof. Der 1865 angelegte Hofbrunnen war viele Jahre außer Betrieb. Aber anlässlich einer Pflastererneuerung des Hofes 1990 wurde er wieder aufgedeckt, die Brüstung hochgemauert und mit einem Dach versehen. Außerdem wurde eine Hauswasseranlage eingebaut so dass er heute wieder seinen Zweck erfüllt und den Hof mit Brauchwasser versorgt.


Genau so wurde die Gaststätte als Zuerwerb geführt. Überwiegend Stammgäste bildeten die Grundlage, aber auch Wanderer und Feriengäste waren gern gesehene ä¤ste. Und so führte der Kleinbetrieb zwar nicht zu großen Reichtümern jedoch erfüllte die Gaststätte ihren Sinn als Begegnungsstätte mit familiärer Note.


In Mümling-Grumbach gab es früher zwei Gaststätten mit Saal, der eine im "Adler" bei Familie Mohr im Wiesenweg, der andere im "Löwen", bei s´ Wirt´s. Tanzveranstaltungen, z. B. bei der Kerb, wurden abwechselnd nach Absprache durchgeführt Gab es beim einen an Kerb den Tanz, dann richtete der andere die Nachkerb aus. Tanz an Ostern bei`s Wirt`s dann an Pfingsten bei ´s Mohr´s. Der örtliche Turnverein nutzte seit seiner Gründung im Jahre 1894 lange Jahre den Saal im Löwen. Der Wirt´s Schorsch ließ sogar im Nachhinein die Saaldecke zum Teil anheben, damit ein Reck aufgestellt werden konnte. Nach dem gegen Ende des II. Weltkrieges die Amerikaner auch in Mümling-Grumbach einzogen, mußte der Hof geräumt werden und diente als Unterkunft für die amerikanischen Soldaten. Der Wirt´s Schorsch war noch im Krieg. Seine Mutter (die alt´ Wirt´sen) und seine Ehefrau mit den drei Kindern hatten im Krieg den Hof geführt. Sie mußten nun gegenüber im Bauerhaus Lohnes einziehen. Zuerst durfte sie den Hof nicht mehr betreten, aber nach intensiven Verhandlungen wurde ihnen dann doch gestattet, zweimal am Tag das Vieh zu versorgen und die Kühe zu melken. Bei dieser Einquartierung ging allerhand Hausrat zu Bruch oder verschwand, denn die Soldaten waren nicht gerade zimperlich. So z. B. war das Essgeschirr bald alle gebraucht und verschmutzt. Zwei polnische ehemalige Kriegsgefangene, die noch nicht nach hause konnten, wurden beauftragt, das Geschirr zu spülen. Auf dem Hof stand dann ein großer Haufen Teller und Tassen, dazu zwei Waschbütten mit heißem Wasser. Der Küchendienst fand bei den beiden keinen großen Anklang und so fiel versehentlich immer wieder ein Stapel Porzellan um. Damit hatte sich das Spülen und Abtrocknen erübrigt. Aber dieser Zustand hielt nicht lange an. Heute erinnern nur noch ein paar mit Bleistift hingekritzelte Namen im alten "Plumpsklo" an diese Soldaten.


Übrigens, der Wirt´s Schorsch hatte sich in den letzten Kriegstagen zusammen mit zwei weiteren Soldaten (Kolletzki aus Erbach und Becht (hold) aus Darmstadt) in Isny/Wangen im Allgäu selbst aus der Wehrmacht entlassen. Auf ominöse Weise gelangten sie zu ihren Entlassungspapieren. Zu Fuß machten die drei sich auf den Weg nach hause und kamen, dank der Englischkenntnisse und dem Verhandlungsgeschick des Darmstädters, auch nach Wochen gut in der Heimat an.


Der Wirt`s Schorsch hatte in den letzten Kriegstagen (Mai 1945) eines Morgens fünf Pferde auf der Hauswiese im Forsteler Graben vorgefunden und eingefangen. Es waren freigelassene (entlaufene) Wehrmachtspferde. Mit Kennerblick suchte er sich unter den abgemagerten "Kleppern" einen für sich aus. Vier lieferte er bei der Gemeinde ab und vergütete den Einbehaltenen. Nach guter Fütterung bestätigte sich sein Gutachten. Es wurde ein stattliches, fleißiges Arbeitspferd. Der Gaul wurde sogar ca. 32 Jahre alt, ein biblisches Alter für einen Gaul. Als er alt wurde, bekam er noch sein Gnadenbrot auf dem Hof, aber er legte sich zum Schlafen immer noch hin, entgegen der Gewohnheit von alten Pferden, die dann immer im Stehen schlafen. Also der Hermann legte sich hin und kam dann nicht mehr hoch. Eines Tages tat er dies auch auf der Weide und rutschte in den Forsteler Graben. Nur mit Hilfe des Traktors kam er wieder auf die Füße. Eine größere Aktion. Man entschloß sich dann doch, dem ein Ende zu bereiten. Er bekam sein letztes Stück Brot und der Schwiegersohn "Bubi" Reitbauer aus Höchst, Pferdehändler sowie -Schlächter, führte den Hermann vom Hof.


Mit Hermann gab es auch einige Erlebnisse. Er reagierte schlecht, wenn ihm etwas gegen die Hinterhufe schlug. Dann raste er panisch davon. Vermutlich war er bei der Artillerie, (die ihre Geschütze meist vierspännig ziehen ließ) eines der beiden sogenannten Deichsel- (Stangen) Pferde. Wenn es dann im Gelände schnell bergab ging, bekamen diese dann schon mal was in die "Hacken". Jedenfalls Hermann mochte dies nicht. So wendete der Wirts Schorsch den Gaul auf dem Acker am 2. Feldweg (Richtung Höchst) beim Eggen einmal zu kurz und die Egge kam an die Hinterhand. Hermann raste los. Der Schorsch versuchte noch ihn am Halfter zu halten, aber alles umsonst. Erst auf den Fürstengründer Wiesen gelang es jemand, den Gaul anzuhalten. Je schwerer die Last wurde, desto mehr legte sich der Hermann ins Zeug. Die Hofeinfahrt in der Forsthausstraße steigt leicht an und so nahm er auch hier seinen entsprechenden Anlauf. Als eines Tages mal wieder ein großer Wagen voll (losem) Heu heimgefahren wurde, nahm er auch hier die Kurve etwas knapp und mit viel Schwung. Erfolg: Der Wagen kippte um, das Heu sowie die Luise (Ehefrau von Schorsch), die obenauf saß, lagen auf der Straße. Dazu hatte die "Luwies" noch den Arm gebrochen.


Der Pferdestall war gesondert im Hof und nicht verschlossen. Wenn es dem Hermann nachts zu langweilig wurde, ging er einfach spazieren. Man hörte ihn über den Hof kleppern; er ging mal in den heutigen Vorgarten, der damals noch nicht so hoch lag und auch als Garten bewirtschaftet wurde, und mal weiter die Forsteler Straße hoch. Knabberte mal hier und dort und war aber bei Tagesbeginn wieder pünktlich im Stall. Im Hochsommer blieben die Milchkühe wegen der Hitze und den Fliegen tagsüber im Stall. Erst abends nach dem Melken kamen sie über Nacht auf die Weide. So kam es vor, daß sie unbemerkt mal ausrissen und morgens der Forsteler Graben leer war. Um die Kühe zu suchen setzte sich eines auf den Hermann und ließ ihn laufen. Hermann roch seine Mitbewohner und fand sie immer von sich aus - bis nach Gumpersberg hinaus!


In den Jahren 1945/46 diente der Saal als Notunterkunft für neu ankommende Flüchtlinge aus dem Osten. Dazu wurde gen Norden ein Fenster heraus gebrochen und eine Holztreppe als separater Eingang errichtet. Von den provisorisch zusammen gezimmerten doppelstöckigen Holzbetten ist ein Exemplar noch vorhanden. Einige heutige Grumbacher und Höchster Neubürger verbrachten hier ihre ersten Nächte in der neuen Heimat.


Danach begann wieder das gesellschaftliche Leben und es spielten ständig im Wechsel verschiedene Laienspielgruppen aus dem eigenen Dorf sowie aus benachbarten Orten Volksstücke im Hofferberth´schen Saal. Im Winter wurde einmal in der Woche der große gusseiserne Ofen kräftig angeheizt, denn es kam aus Michelstadt der Mann mit dem alten Opel und dem Wanderkino. Insbesondere die älteren Einwohnerinnen waren rechtzeitig mit Sitzkissen (und großen Taschentüchern - es war die Zeit der Heimatschnulzen!) da, um in der Nähe des Ofens ihren Stammplatz zu sichern. Während der Vorstellung wurde nämlich nicht mehr nachgelegt und gegen Ende des Films konnte es dann schon recht "frisch" werden. Um die Kehle anzufeuchten konnte man allerdings in der Zeit in der der Vorführer die abgelaufene Filmrolle wechselte schnell hinunter in die Gaststätte gehen, um ein Bierchen zu trinken. Während der Besatzungszeit wurde im Saal von Darmstädter Studenten hin und wieder heimlich, verbotenerweise, "gepauktâ", d. h. eine scharfe Klinge geschlagen bei einer Mensur. In guter Erinnerung sind die Treffen der Jagdpächter und Jäger zum geselligen Beisammensein und zu den "Schüsseltreiben", wobei vielerlei Jägerlatein die Balken verbog. Dies verdeutlichte auch ein Spruch auf einem großen Deckenbalken: "Das Rehlein mit dem Leib, dem schlanken, macht selbst dem ält´sten Bock Gedanken!"


Auch solange die Tanzschulen noch unterwegs waren fanden hier Unterrichte im Saal statt. Manche Episode wurde später noch in heiterer Stammtischrunde erzählt. Nach dem Bau der Kultur- und Sporthalle in Mümling-Grumbach fanden die Veranstaltungen in den beiden Sälen ihr Ende. Sie waren zu klein geworden. Heute wird der Saal nur noch zum Teil als Übungsraum und Vereinslokal vom Gesangverein "Harmonie" 1865 genutzt.